Freitag, 3. Januar 2014

Fortress (Stuart Gordon, Australien, USA 1992)

Tape: Cosmos Home Entertainment, Niederlande 1994, Engl. mit nl. Untertiteln. (OFDb-Link)

Die Zukunft. In den USA herrscht strenge Geburtenkontrolle. Jede Familie darf nur ein Kind bekommen. John Brannick (Christopher Lambert) und seine Frau Karen (Loryn Locklin) versuchen ins Land einzureisen, ohne dass die Grenzkontrollen mitbekommen, dass Karen zum zweiten mal schwanger ist. Sie werden erwischt und in das unterirdische Hochsicherheitsgefängnis "Fortress" gebracht. Dem aufrichtigen und mutigen John gelingt es schnell, sich unter den Insassen zu behaupten - und sich bei der Leitung unbeliebt zu machen. Nachdem er sich in einem Kampf gegen einen verurteilten Mörder und Bandenführer durchsetzt, aber sich weigert, den Befehl des Gefängnisdirektors Poe auszuführen, ihn zu töten, kommt er in die "Mind Wipe Chamber", wo sein Bewusstsein in einer mehrtägigen Tortur ausgelöscht werden soll. Um ihm das Leben zu retten, lässt sich Karen darauf ein, mit Poe zusammenzuleben. Als John nach mehreren Monaten aus seinem Zustand der geistigen Umnachtung erwacht, kennt er nur noch ein Ziel: Den Ausbruch, der noch niemandem geglückt ist.
Keines der Versatzstücke, aus denen Stuart Gordon und sein Autoren-Team den ultimativen Knast der Zukunft bauen, ist an sich neu. Alles in Fortress kennt man aus anderen Endzeit- bzw. Gefängnis-Filmen. So erinnert etwa bereits die Gestaltung der opening credits an Paul Verhoevens zwei Jahre zuvor entstandenen Total Recall. Das unterirdische Gebäude mit seinen röhrenartigen gigantolomanen Fahrstuhlschächten in gleißendem Blau, durch deren Decke riesige Ventilatoren Sauerstoff in die Festung pumpen, paraphrasiert die dystopischen Architekturen des Science-Fiction-Genres - von Metropolis bis The Blade Runner. Am Anfang, wenn John im Fahrstuhl zu seiner Zelle kommt, bieten diese die Kulisse für klischierte Gefängnis-Bilder: Finster dreinschauende Männer, die in Grüppchen zusammen stehen und Gewichte heben. Die Wucht des Films jedoch entsteht aus seiner enormen Verdichtung der bekannten Versatzstücke und Motive zu einer bedrückenden Vision von Überwachen und Strafen, bei der es Michel Foucault wohl eiskalt den Rücken heruntergelaufen wäre. Hier ist die Überwachung absolut. Sie erstreckt sich bis in die Körper und Köpfe, der so wirklich transparent gewordenen Menschen. Bei ihrer Ankunft wird den Gefangenen eine Sonde in den Magen implantiert. Über diese können ihnen Schmerzen zugefügt werden oder sie kann zur Explosion gebracht werden. Auf dem Boden sind gelbe und rote Linien angebracht. Das übertreten der gelben führt zum Schmerz, das der roten zum Tod. Viele der Mauern, die die Gefangenen halten, sind für sie ebenso unsichtbar geworden, wie die Außenwelt oder die Menschen (?), die Urheber ihrer Martern sind. Am Bau der sichtbaren Mauern hingegen werden die Insassen aktiv beteiligt. "Fortress" gehört der Men-Tel-Corporation, die einerseits für die Gefangenen Geld vom Staat erhält, andererseits werden diese als kostenlose Arbeitskräfte genutzt, die den Knast immer weiter bauen. Die mobilen Kameras an der Decke sehen nicht nur äußere "Subversionen", sie scannen auch die Gedanken und Träume. Jeder "illegitime Denk-Prozess" - etwa an Sex - führt zu Schmerzen.
Aber noch etwas ist bedrückend an dieser Welt. In ihr scheint das Böse kein Subjekt mehr zu haben. Kurtwood Smith spielt den Gefängnisdirektor - und wer ihn als Gangster in Robocop gesehen hat weiß, dass er verdammt gut darin ist, böse zu sein. Poe heißt er, aber der "Autor" des Schreckens dieser Welt ist er gerade nicht. Auch er ist ein Produkt der Men-Tel, was wiederum ein sprechender Name ist (mental). Der Überwachungscomputer, den er bedient, heißt Zed-10, doch das letzte Glied einer Kette (Z) ist auch er nicht. Vielmehr bleiben diejenigen, die wirklich die Fäden in der Hand halten in diesem Film auf kafka'eske Weise unsichtbar, abwesend.
Christopher Lambert übertreibt das Klischee des traumatisierten Rechtschaffenden derart, dass es schon wieder lustig ist. In einer Nebenrolle als Zellengenosse - und späterer Mit-Flüchtling - ist ein gut aufgelegter, unrasierter, langhaariger und bebrillter Jeffrey Combs zu sehen. Für Gordon/Yuzna-Aficionados immer ein Vergnügen (und zu einem solchen entwickle ich mich gerade mit (fast) jedem Film der beiden, den ich (wieder-)sehe, etwas mehr).
Natürlich weiß Gordon letztlich außer einem fetzigen B-Movie-Spektakel aus seiner finsteren Zukunfts-Vison nichts zu machen (wobei die set pieces, aus denen dieses zusammengesetzt ist, von recht unterschiedlicher Qualität sind. Immerhin gelingt es dem Film gegen Ende, die Spannung ordentlich anzuziehen).
Natürlich bleibt bei der Flucht aus der Welt der absoluten Überwachung die Glaubwürdigkeit gründlich auf der Strecke.
Natürlich könnte, wer den Hang zum ideologiekritischen Mäkeln hat, beklagen, dass die bürgerliche Kleinfamilie die einzige Utopie ist, die Fortress seiner finsteren Zukunft entgegenzusetzen weiß.
Daran, dass solche mittelgroß budgetierte Exploitation, die heute genauso ausgestorben scheint wie die Video-Kassette, nicht nur nostalgisch verklärbar ist, sondern auch einen finstereren -und teilweise erschreckend zutreffenden - Blick in die Zukunft wirft, als es der Hollywood-Manistream könnte, ändert das alles jedoch nichts.  

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